Copy The Copy

Meine Lieben, es ist wo weit! Was lange währt wird nun endlich gut. Frisch aus der Druckerei abgeholt wartet meine Bachelor Arbeit nur noch darauf abgegeben zu werden. Nur für euch, ganz exklusiv ein Einblick in das Fazit meiner Arbeit und alle meine Stills nocheinmal in Serie:

Die Kopie der Kopie - „Untitled Film Stills after Aneta Grzeszykowska“ (2016)

 

Basierend auf der frustrierenden Erfahrung sich unbewusst immer wieder an andere Künstler anzulehnen, obwohl man etwas Neues schaffen möchte, habe ich mich dazu entschieden, bewusst zu kopieren und aus diesem zwanghaften Fehler des Versuchs einer Neuschaffung nach dem Beispiel von Hanno Rautenberg auszubrechen.1 Aber auch damit trat ich in ein Minenfeld der Wiederholungen, denn eben jene Gedanken trieben bspw. auch Sherrie Levine zu ihrer appropriationistischen Arbeit.2 Daher entschied ich mich noch eine Ebene höher zu gehen und nicht nur zu kopieren, sondern eine Kopie zu kopieren3, als nächster Schritt der Appropration Art.4

 

Dabei fiel die Wahl auf die „Untitled Film Stills“ eher zufällig. Ich möchte weder Cindy Shermans feministische noch Aneta Grzeszykowskas identitätskritische Überlegungen in meiner Arbeit vordergründig ausdrücken.Obwohl ich diese natürlich durch die Wiederholung der Arbeit unweigerlich aufgreife. Vielmehr handelt es sich um die Fortführung einer Darstellungstradition, deren Ziel die Übersetzung des ursprünglich Dargestellten in meine heutige Lebenswelt darstellt.

 

Die Auswahl der 15 Fotografien5 ist pragmatisch nach Realisierbarkeit der Bilder gewählt, da das Finden passender Orte und Kostüme6 sich schnell als Herausforderung herausstellte. So haben die meisten meiner Bilder einen ruhigen, einfarbigen Hintergrund.(So die weiße bzw. blaue Wand in #3, #5 und #53 (2016), der rote Stoffhintergrund in #16, #31 und #32 (2016) oder die Wiese in #57 (2016).) Das besondere Augenmerk meiner Arbeit liegt in der Wiederholung der Formensprache der Originale, welche ich wie Grzeszykowska auch für meine Arbeit übernommen habe. So zeigt Shermans #59 eine Frau, die an einem gepflegten Gebäude mit Säulen und Überdachung läuft. In der rechten Bildseite dominiert eine Grünfläche, die durch eine Mauer in einer klaren Linie abgetrennt ist. Der Ort erinnert an einen Urlaubsort am Meer. Grzeszykowska übersetzt diese Szene an einen dreckigen heruntergekommenen Ort, der an ein altes Bahnhofsgelände erinnert. Allerdings ist das Bild der Formensprache Shermans Vorlage nachempfunden. #59 (2016) hat erneut eine räumliche Verschiebung in die Universität zu Köln erlebt. Diese ist auf einigen Bildern deutlich zu erkennen. In #5 (2016)1 trägt der Brief, den ich in der Hand halte das Logo der Universität zu Köln und auch #59 lässt denjenigen, der es kennt, das Kölner Universitätsgelände erkennen. Der Bus im Hintergrund trägt ebenfalls das Logo der Universität. Noch deutlicher lässt sich der Bezug bei #24 und #25 erkennen. Beide zeigen Teile der Kölner Skyline inklusive Dom und Hohenzollernbrücke auf letzterem. Trotzdem bleibt die ursprüngliche Formenkomposition des Bildes erhalten.

 

An dem Versuch die zeitliche Differenz von zehn Jahren zwischen meiner und Grzeszykowskas Serie zu unterstreichen und die Bilder als Selfies aufzunehmen, um einen größeren Aktqualitätsgrad herzustellen, scheiterte ich. Die Bilder erwecken eher den Anschein einer Identitätskrise als den einer Kopie. Daher greifen meine Fotografien Grzeszykowskas überzogene Farbwelt in abgeschwächter Form auf. Hinter den Bildern steckt kein großer technischer Aufwand. Die Beleuchtung erfolgte ohne Blitz und ist einfach gehalten, bestehend aus dem gegebenen Tageslicht bzw. dem künstlichen Raumlicht. Die Bilder sind größtenteils unbearbeitet. Die Farben sind somit nicht grell leuchtend. (Lediglich bei #31 (2016), #32 und #37 musste ich die Helligkeit leicht verändern.) Dadurch erhalten die Bilder etwas stümperhaftes in der heutigen von Photoshop dominierten Bildwelt der Fotografie und bleiben somit Shermans Grundmuster des billigen Aussehens dieser fotografischen Serie treu.7

 

Sowohl Sherman als auch Grzeszykowska sind Modelle ihrer eigenen fotografischen Serie. Somit musste auch ich als Künstlerin zur Protagonistin der Fotografien werden. Jedoch war es mir nicht möglich, gleichzeitig auch Fotografin zu sein, da eine eigene Korrektur der reinszenierten Pose so nicht umsetzbar war. Daher musste ich das Fotografieren Freunden und Verwandten überlassen, wie Sherman es bei ihren Außenaufnahmen auch tat. (Leider berichtet keine Quelle ob Grzeszykowska ebenfalls selbst fotografiert hat oder fotografieren hat lassen. ) Es drängt sich allerdings die Frage auf, wer denn nun der Künstler dieser Arbeit sei, da weder die Bildidee noch die technische Umsetzung des Auslösens von mir stammen. Betrachtet man Autorschaft in der Kunst zwischen den zwei Polen der Handwerklichkeit auf der einen und der subjektiv-geistigen Schöpfung auf der anderen Seite, so erfüllt meine Arbeit das Feld des geistigen Schöpfens.8 Die Verwandtschaft des Reinszenierungs-Begriffes mit dem Theater lässt eine Betrachtung der Autorschaft im theatralen Zusammenhang zu. Meine Position ist in dieser Situation am ehesten mit der des Regisseurs gleichzusetzen. Ich bediene mich eines Werkes, dessen Autor ich nicht bin, verändere es aber so weit, dass daraus eine neue, eigene Inszenierung entsteht.9 So habe ich zwar nicht den Auslöser betätigt (Handwerk)10, jedoch das Konzept der Arbeit entworfen (subjektiv-geistige Schöpfung).

 

Zusammenfassend lässt sich eine Entwicklung von der anfänglichen Frustration der ungewollten Ähnlichkeit zur Rebellion in Form der Kopie beobachten, die in einem Verständnis für Bildtradition und der Arbeit damit mündet. Die Reproduktion und Kopie haben eine lange Tradition in der Kunst und sind doch nur am Rande Teil dessen, denn sie verfolgen in der Regel keine künstlerische Intension. Diejenigen Werke, die bereits Bekanntes zum Zweck der Irritation des Betrachters darstellen, spielen mit der Tradition des Originals und dem Bildwissen sowie der Wahrnehmung des Betrachters. Aus dieser veränderten Intension des ursprünglich Dargestellten entsteht ein neues Kunstwerk. So lässt sich festhalten, dass das Spiel mit bekanntem Bildmaterial eine Fortführung von Tradition, Kultur11 und eine Hinterfragung des Wissens der Menschen, die in der jeweiligen Zeit darin leben, darstellt. Es entsteht eine Anpassung dieser Tradition in die jeweils gegebene Zeit gefiltert durch den Blickwinkel des jeweils schaffenden Künstlers.

 

Das Beispiel der „Untitled Film Stills“ und dessen Reinszenierungen zeigt durch die Bekanntheit des Originals gut, dass das Dargestellte durch die Ausführung verschiedener Künstlerinnen zu verschiedenen Zeiten zu unterschiedlichen Intensionen des Werkes führen kann, obwohl das Dargestellte sich immer wieder wiederholt.


Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beende ich diese Serie nun endlich. Ich melde mich sehr bald wieder mit dem nächsten Projekt, dass schon in Planung ist. Bis dahin freue ich mich auf Kommentare und Anregungen.

Gute Nacht


 

 

1Vgl. Rautenberg, 2008, S. 95-102

 

2Vgl. Rebbelmund, 1999, S. 138-140

 

3In meiner Arbeit, wie in Grzeszykowskas auch, handelt es sich genau genommen um Reinszenierungen und nicht um Kopien. Die Bezeichnung „Kopie“ in diesem Zusammenhang als künstlerischer Handgriff der übertriebenen Darstellung und nicht in dem zuvor definierten Sinne zu verstehen.

 

4Auch hier lassen sich wieder Referenzen bei Künstlern finden, bspw. bei Michael Mandiberg. Dieser scannt 2001 die von Sherrie Levine abfotografierten Fotos (1979) von Walker Evans (aus dem Ausstellungskatalog „First and Last“ von 1936) ein und lädt sie mit dem Titel „AfterSherrieLevine.com/jpg“ öffentlich im Internet hoch. Dabei wird zwar die Appropriationistin Levine benannt, der Originalkünstler Evans allerdings nicht berücksichtigt. Nicht nur die Idee sondern auch der Titel meiner Serie „Untitled Film Stills after Aneta Grzeszykowska“ folgen also Mandibergs Muster, wobei er kopiert und ich reinszeniere. „Visuell fallen 'Original', erste Kopie und zweite Kopie durch die fotografische Reproduktion komplett in eins.“, daher kann hier die Rede von einer zweiten Generation der Appropriation Art sein. Vgl. Sykora, 2011, S. 32

 

 

5Die Nummerierung der einzelnen Fotografien meiner Arbeit folgt dem Muster Shermans, das Grzeszykowska übernommen hat.

 

6Aus Kostengründen habe ich auf Perücken in verschiedenen Haarfarben und -längen verzichtet und mich auf das Nachbilden der vorgegebenen Frisur mit meinen eigenen Haaren beschränkt. Eine Ausnahme bildet hier #13 (2016). Auf diesem Bild trage ich Haar Extensions.

 

 

7Vgl. Sherman, 2003, S. 10-11

8Vgl. Kampmann, 2006, S. 29

 

9Vgl. Bertschart, 2008, S. 152-153

 

10Die Bildbearbeitung in einigen Fotografien ist allerdings wieder in das Feld der Handwerklichkeit einzuordnen. Somit sind die Grenzen an dieser Stelle nicht eindeutig klar zu ziehen.

 

 

11Die Kunst ist an dieser Stelle als Dokumentation und Teil der Kultur zu verstehen.


Eine kurze Info zu den genannten Künstlerinnen findet sich wie immer unter Künstler.

Die genauen Literaturangaben aus den Fußnoten gibt es hier.

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