1937 Schneewittchen

Hallo meine Lieben. Nach dem ganzen Theoretischen und den vielen vielleicht verwirrenden Andeutungen gehts heute endlich richtig los. Thema: Disney Prinzessinnen, Körpersprache bzw. viel mehr Gestik. Paul Watzlawicks erstes Axiom der Kommunikationstheorie lautet: 

 

"Man kann nicht nicht kommunizierten, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren."

 

Schalten wir also den Ton bei den Disney-Prinzessinnen Filmen ab und schauen, was sie mit ihrer Gestik kommunizieren. 

Ich habe "Schneewittchen und die sieben Zwerge" das letzt mal als Kind gesehen und ich erinnere mich, dass er nicht zu meinen Lieblingen gehörte. Warum ist mir beim erneuten Schauen für diese Serie wieder aufgefallen. Operngetrellere übers Putzen und  Waschen, eine Story, die jedes Kind aus dem Märchenbuch der Grimms kennt und (und das ist fast das schlimmste) in vielen Sequenzen wird tatsächlich in Reimen gesprochen, während in anderen Zeit durch Musik überbrückt wird. Das ist selbst für einen eingefleischten Disney Fan zu viel. 

Nun darf man aber nicht vergessen, dass die Gute dieses Jahr ihren 94. Geburtstag feiert und man ihr somit das altmodische Gehabe vielleicht ein wenig entschuldigen kann. (Im 1937 erschienenen Film spielt sie eine 14-jährige.) Der Künstler Isaque Arâes zeichnet 2015 die Disney Prinzessinnen, wie sie heute aussehen würden. 

 


1937 ist Schneewittchen allerdings heiß gefragt. Als erster abendfüllender Zeichentrickfilm Disneys spielt sie 8 Millionen US-Dollar ein und hatte allein in den USA 109 Millionen Besucher. Sie bildet den Grundstein für Disneys weitere Familien-Zeichentrickfilme und gilt als Meilenstein in seiner Karriere.

Das Märchenbuch öffnet sich und der Film beginnt. Klassisch für Märchen gibt es einen Erzähler, der den Betrachter in die Märchenwelt hineinführt. Abgesehen von kleinen Änderungen bleibt die bekannte Geschichte der der Grimms gleich. Das schöne, gute Schneewittchen 

muss vor der bösen Stiefmutterhexe fliehen, da sie die Schönheit der Alten übertroffen hat.

Vorher trifft sich noch auf ihren Prinzen, der sie am Ende des Filmes rettet und wie sollte es auch anders sein: Es ist Liebe auf den ersten Blick, ohne, dass sie groß miteinander gesprochen hätten... Aber wie Watzlawick sagt, man muss nicht reden, um miteinander kommunizieren zu können. Ich komme dann auch mal endlich zu Gestik Schneewittchens:

Angelehnt an die Darstellung von Markus Uhr Kollagen "Despair and Desiree" und "4 Fingers on Lips" habe ich mit Bildbearbeitung aus subjektiv gewählten Standbildern des Films lediglich den Arm-, Schulter- und Brustbereich in bestimmten Posen heraus extrahiert, um daraus ein eventuelles Muster zu erkennen. Und tatsächlich lässt sich ein Muster erkennen:

Gefaltete Hände versteht man allgemein als Zeichen des Gebets und des Flehens, ursprünglich waren sie aber auch ein Zeichen von Ehrerbietung und eines Gnaden- oder Schutzgesuch. Überträgt man das Flehen und den Gnaden- bzw. Schutzgesuch auf Schneewittchen fällt schnell auf, dass dies wesentliche Bestandteile der Geschichte sind: Sei es das Flehen um ihr Leben bei dem Jäger oder der Schutzgesuch bei den Zwergen. Sie ist immer diejenige, die anderen unterlegen ist, da sie stets um Hilfe bitten muss.  


Fun-Fact

Wusstet ihr, dass als Vorlage für die böse Stiefmutter das Bildnis der "Uta von Naumburg" (Naumburger Dom) aus dem 13. Jahrhundert genommen wurde?

Mit dem hohen Kragen, dem Kopftuch, der Krone und dem langen Gewand erinnert sie tatsächlich an die Stiefmutter aus dem Film! Verblüffend!

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Briefmarke zur 6. Jahrestagung des Ostdeutschen Kulturrates in Berlin (1957)



Die Hand an Kinn oder Wange ist ein Zeichen für seelischen Schmerz und seit der Antike schon als solches zu beobachten. In der Kunst ist sie ein Zeichen für Schmerz und Niedergeschlagenheit. Schneewittchen fasst sich allerdings auch ins Gesicht, wenn sie sich erschreckt, wie im Bild ganz links bspw. als auf einmal ihr Prinz vor ihr steht. 

 

Die ausgestreckten Arme könnten aber auch ihren Ursprung im Tanz - vor allem im Ballett haben, denn viele Positionen und Drehungen verlangen dort ausgestreckte Arme. 

 

Natürlich hat aber auch Schneewittchen diese magischen Disney Momente, in denen sie singend dreht, die Arme von sich streckt und das Kleid aufwirbelt... naja, oder sie hat einfach nur so die Arme ausgestreckt.

Witzigerweise, aber vollkommen unpassend, bedeuten die ausgestreckten Arme mit der Handfläche nach außen im Mittelalter für die Auflösung eines Ehebundes. Betrachtet mann die Bildausschnitte links so haben sie doch einen etwas abwehrenden Charakter, doch ist die Verbindung mit einer Trennung hier vollkommen unpassend! Meine Vermutung ist, dass es in Verbindung mit dem Singen einen Ausdruck von Losgelöstsein, Glück und Freude darstellt. 

 

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Nachdem sie ihrem Prinzen das erste Mal geregnet kreuzt Schneewittchen die Arme vor der Brust, als würde sie sich selbst umarmen. Die gekreuzten Arme vor der Brust sind in vielen Kulturen ein Zeichen, das den Toten vorbehalten ist. So sind z.B. die Arme auf Sarkophagen der Ägypter oder auf Totendarstellungen im Christentum gekreuzt. Bei Schneewittchen handelt es sich allerdings um einen Akt der Freude und hat nichts mit dem Tod zu tun.

Die gekreuzten Arme können aber auch "die ehrerbietige Bejahung einer Situation" symbolisieren. Schneewittchen sieht ihren Prinzen, versteckt sich vor ihm, da sie sich wegen ihrer Kleidung    

 


schämt. Kreuzt im Verborgenen die Arme (=freut sich = bejaht die Situation) und geht heraus auf den Balkon, um mir ihrem Prinzen munter weiterzutrellern. 

Im Verborgenen tut sich noch etwas, das absolut und ausnahmslos jede Disney Prinzessin tut: sie geht mit den Händen in ihre Haare, um die Frisur zu richten. Haare und vor allem das Spielen mit den Haaren ist etwas, das mit Weiblichkeit verbunden wird. Nicht umsonst gefallen Männern lange Haare bei Frauen in der Regel besser als Kurze. Haare (an den richtigen Stellen) sind sexy. Das Richten der Haare ist also ein Versuch schöner auszusehen. 

Das Abbilden von Haaren stellt Künstler - vor allem Maler - aller Epochen vor eine Herausforderung, sodass es zum stilbildenden Merkmal wird und als Qualitätsmerkmal des Künstlers verstanden werden kann.  

 

Auch die Animation der Haare stellt für Disney eine Herausforderung dar. Schneewittchens Haare sind im Vergleich zu ihren jüngeren Prinzessinnenkollegen noch recht starr und unbeweglich, allerdings ohne dabei heimartig auszusehen. Genau das Gegenteil von fluffigem, im Wind wehendem Haar. Zu den Haaren der anderen Disney Prinzessinnen in weiteren Beiträgen mehr. 


So und jetzt einmal zusammengefasst: Die Gestik von Schneewittchen drückt ihren Schmerz und ihre Unterlegenheit gegenüber dem Bösen aus. Allgemein habe ich das Gefühl, dass bei einer kunstgeschichtlichen Betrachtung der Gestik Schneewittchens vor allem negative Aspekte des Märchens und dem Gemütszustand Schneewittchens in den Vordergrund rücken, die der Film über das Gesprochene nicht vermittelt. 

Ich hoffe euch hat die Reise in die Disney Schneewittchen Welt gefallen. Ich melde mich bald wieder aus der Welt von Cinderella. 


Infos zu den genannten Künstlern Arâes, Uhr und den Brüdern von Limburg wie immer hier.

Die Informationen zu dem Beitrag stammen aus folgenden Quellen:

  • Band 12 und 15 aus Zuffis Bildlexikonreihe
    • "Bildlexikon der Kunst. Bd. 12 - Der menschliche Körper, Anatomie, Symbolik"
    • "Bildlexikon der Kunst. Bd. 15 - Körpersprache, Gestik, Mimik, Ausdruck"
  • Schulze: "Disney und die Kunst - Alte Meister für die Masse" und
  • Wikipedia zu Disneys Schneewittchen 

Genaue Literaturangaben wie immer hier

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