Wasserschlangen II

"Der Jugendstil liebt die Welt des Wassers, wo dunkle und helle Algen auf Venusmuscheln wachsen oder zwischen zweischaligen Muscheln zartes Fleisch in der Farbe tropischer Korallen schimmert. Es sind sprachliche Zeichen, die uns unausweichlich zu ihrem Ursprung führen: der Frau."

Treffender als mit Gilles Nérets Worten hätte ich keine Einführung in meinen heutigen Beitrag verfassen können: Die Unterwasserwelt und "die doppelte Frau" als zentrales Thema des Erotischen bei Gustav Klimt am Beispiel eines meiner Lieblingsbilder: "Wasserschlangen II". 

In der Unterwasserwelt Klimts begegnen uns aquatische Formen, die den Betrachter in eine "Welt der Evokationen und Andeutungen (...) sexueller Natur" locken und mit der Symbolik Freuds, ein Zeitgenosse Klimts, gleichgesetzt worden sind. Nackte Frauen, die ihre "humide Sinnlichkeit ohne Umschweife zur Schau" stellen, sich "lasziv und provozierend (...) den Umarmungen des nassen Elements" (Néret) hingeben. Ein wiederkehrendes Element sind dabei die im Wasser wallenden Haare. Solche Frauen begegnen uns in mehreren Gemälden und Grafiken Klimts: 

Gustav Klimt - "Wasserschlangen I" ("Freundinnen I") - 1904-7 - Tempera und Aquarell auf Pergament - 50 x 20 cm - Österreichische Galerie Belvedere - Wien

• "Bewegtes Wasser",
• "Goldfische" oder
• die "Wasserschlangen"

sind nur einige Beispiele. 

Das Dargestellte spielt sich in einer Unterwasserwelt ab, die dem Betrachter jedoch unsichtbar bleibt. Vielmehr sieht man "von einer Art Äther oder dichter Luft gehaltene Körper; sie schweben oder treiben in den charakteristischen Bild- räumen oder eher Nicht-Räumen, in denen Plastizität und Tiefe weitgehend flächig aufgelöst sind" (Bei). So treiben bspw. die Wasser-schlangen in ihrer zweiten Version durch ein farben-prächtiges stilisiertes Meer von Blumen.

Gustav Klimt - "Goldfische" - 1901/2 - Öl auf Leinwand - 181 x 66,5 cm - Privatsammlung - Schweiz

Das Bild der Meerjungfrau, Nixe oder Sirene ist keine neue Erfindung Klimts. Schon in der griechischen Mythologie wird von Sirenen als Femme Fatale erzählt, die Orpheus und auch Odysseus ins Verderben reißen möchten. Auch in der asiatischen Kunst treten das Meer und die Frau in eine Interaktion, wie im Farbholzschnitt rechts "Der Traum der Fischersfrau".  Klimt gilt bekanntlich als großer Fan der asiatischen Kunst, wie in seinen Bildern unschwer zu erkennen ist.

Den meisten von Klimts Unterwasserdarstellungen sind die genüsslich geschlossenen Augen und der halb geöffnete Mund gemein. Neda Bei liest diese als "Chiffren der Lust und der sexuellen Aura des Bildes" eine "Spannung zwischen Akt und Gesicht". Nichtsdestotrotz finden wir auch geöffnete Augen in den Unterwasser Bildern Klimts. So bei "Wasserschlangen II". An dieses Auge habe ich mich im Rahmen meines Projektes radgewagt und das gleich zwei mal. Um dem Format der Serie treu zu bleiben, habe ich das Auge gedreht, als würde die Frau aufrecht stehen. Unten links seht ihr den ersten Versuch ohne Apple Pencil mit meinem normalen iPad-Stift gemalt, links mit dem Apple Pencil. Welches gefällt euch besser?