Judith I

Hallo meine Lieben. In einem älteren Beitrag habe ich euch bereits Judith als bekannte Femme Fatale Klimts gezeigt. Aber wer ist diese Judith überhaupt? 

Judith ist nicht etwa eine reiche Ehefrau des Wiener Großbürgertums, die Klimt portraitiert hat. Sie ist eine biblische Figur. Das Buch Judith findet sich in den Apokryphen. Dort wird die Witwe Judith, eine schöne Frau wie es heißt, als Retterin ihres Volkes dargestellt. Sie befreit ihre Heimatstadt Bethulia von der assyrischen Belagerung, indem sie den Hauptmann der Truppen durch eine List enthauptet. Dieser hatte sie zuvor zu sich eingeladen, um sich mit ihr zu vergnügen... Das endet für ihn mit dem Tod. Die Rolle der Retterin des Volkes macht sie zur Präfiguration Marias, aber auch zum "allegorischen Sinnbild des Sieges der Tugend über das Laster, der Keuschheit über die Versuchung, der Stärke über den Hochmut" (Poeschel). In der Kunst wird sie als schöne, junge Frau gezeigt, die als Attribute den abgeschlagenen Kopf des besagten Hauptmanns Holofernes und ein Schwert trägt. Meistens sieht man sie in der Szene der Enthauptung oder wie sie den abgeschlagenen Kopf präsentiert. Unten mal ein Beispiel dafür:    

Artemis Gentileschi - "Judith enthauptet Holofernes" - zwischen 1611 und 1612 - Öl auf Leinwand - 158,8 x 125,5 cm - Museo di Capodimonte - Neapel

Gustav Klimt 039

Gustav Klimt - "Judith I" - 1901 - Öl auf Leinwand - 84 x 42 cm - Österreichische Galerie Belvedere - Wien


Klimt-Salome

Gustav Klimt - "Judith II" - 1909 - Öl auf Leinwand - 178 x 46 cm - Galleria Internazionale d'Arte Moderna, Fundación Museos Cívicos de Venecia - Venedig

Judiths Geschichte ist nahezu einzigartig. Sie "signalisiert nichts weniger als die Umkehrung der Geschlechterordnung. Entgegen der patriarchalen rabbinischen Konzeption ist Judith eine aktive Frau, handelt selbstständig, greift in das politische Geschehen ein, besiegt einen der mächtigsten Feldherren, tötet einen Mann. Judith verkörpert nicht nur Rettung, sondern gleichzeitig Bedrohung männlicher Herrschaft." (Hammer-Tudendhat). So wurde sie zwar zunächst als Heroin präsentiert (siehe oben), seit der Renaissance und vor allem seit dem Barock erhält die moderne Frau allerdings eine negative Konnotation. "Die Vorstellung einer weiblichen Heldin, einer Frau, der historisch-politische Bedeutung zukommt, war im hegemonialen Diskurs der Jahrhundertwende nicht mehr denkbar" (Hammer-Tugendhat). Auch die Geschichtsschreibung gibt sich alle Mühe Judith als Ausnahmefigur, die ihre Tat nur durch Gottes Hilfe vollführen konnte, darzustellen. So wird ihre Geschichte nicht in den hebräischen Kanon aufgenommen, in der katholische Bibel ist sie lediglich als deuterokanonisches Werk integriert, während Luther sie komplett aus seiner Bibel gestrichen hat.

Judith wird zunehmend als Verführerin in modischer, luxuriöser Kleidung und mit üppigem Décolleté gezeigt, den "sinnlichen Blick auf den Betrachter gerichtet" (Poeschel). " Die negative Auslegung gipfelt im Symbolismus, als die Frau prinzipiell als Verführerin erscheint, deren Erotik der Mann verfällt" (Poeschel). 

 

An dieser Stelle zurück zu Gustav Klimts Judith. Dass es sich bei dieser um jene apokryphische Judith handelt, ist unverkennbar an der Inschrift auf dem goldenen Rahmen zu erkennen. Diese betitelt das Bild mit "Judith und Holofernes". Bei genauerem Hinsehen erkennt man in Judiths Hand den Kopf des Enthaupteten. Es ist erstaunlich, dass sich dieser erst durch den Kontext erschließt. Ich habe ihn erst als solchen erkannt, als ich nach den Attributen Judiths im Bild gesucht habe. Wie ging es euch? Habt ihr den Kopf sofort gesehen? Deutlicher zu erkennen ist der abgetrennte Kopf in Klimts zweiten Version der Judith zu sehen (siehe links).

Auch weitere Attribute Judiths, die Sabine Poeschel aufzählt, lassen sich in Gustav Klimts "Judith I" wiederfinden. So auch die moderne und durchaus luxuriöse Kleidung. Gilles Nerét schreibt: "Diese Judith ist keine historische Heidin, sondern eine typische Zeitgenossin Klimts, was auch das kostbare Hundehalsband deutlich macht, das damals in Mode war." Das üppige Décolleté und der tiefe Ausschnitt dürfen natürlich nicht fehlen. Wie schon bei 


den Unterwasserbildern Klimts können wir auch bei seinen Judith-Bildern die halb geschlossenen Augen und den sinnlich halb geöffneten Mund beobachten. Klimt schafft sich mit dem Bildthema der Judith eine weitere Verwirklichung des Archetyps der Femme Fatale, denn sie ist das Sinnbild für "den durch die Frau gestraften Mann, der mit dem Tod büßen muss" (Nerét). Obwohl sich Judith einer einseitigen Zuordnung in das dichotomische Frauenbild - reine, keusche Frau (Heilige/ Maria...) vs. sexualisierte Frau (Eva, Verführerin, Hure...) - entzieht. Sie ist sowohl die befreiende Heldin als auch das männermordende Monster. Das ist es, was die Figur der Judith so interessant macht. 

Kommen wir nun zu meinen Augen. Wie "Wasserschlangen II" habe ich auch Judith zweimal gemalt. Einmal mit (unten rechts) und einmal ohne den Apple Pencil (unten links). Urteilt selbst, welches euch besser gefällt: 



Eine kurze Info zu Klimt findest du unter Künstler.

Die genaue Literaturangaben zu den Texten von Poeschel, Nerét und Hammer-Tudendhat findest du in meiner Bibliothek.   

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